Welcome in Gadderbaum – von Null auf Hundert

Text und Foto von Kerstin

 

Welcome in Gadderbaum – von Null auf Hundert
Oder: Plötzlich waren sie da! Der Start von 30 jungen Männern aus Algerien und Marokko im „Brüderfeierabendhaus“ in der Ortschaft Bethel
Ich wurde darauf angesprochen, ob ich einen Blog-Beitrag auf der Seite „Geflüchtete willkommen in Bielefeld“ schreiben möchte. Natürlich!

Es war verlockend, alles gegliedert und in seinen Strukturen zu beschreiben, nämlich über das Besondere der Bewohner, der Lage des Hauses in Bethel, die Nachbarschaftsinitiative, die unzureichenden und schleppenden Versorgung durch die Stadt Bielefeld, die zu geringen Sozialarbeiterkapazitäten usw., usw. ….
Aber eigentlich will niemand diese ermüdenden Fakten lesen, die in Variationen aus anderen Flüchtlingsunterkünften bereits bestens bekannt sind…
Mir wurde bewusst, dass jede Einrichtung für flüchtende Menschen ihre Besonderheiten hat und ich mich nicht in einer Konkurrenz darüber befinde, dass unsere Nachbarschaftsinitiative unter herausragenden schwierigen Bedingungen arbeitet. Es sind lediglich spezifische Besonderheiten.
Nicht ungeübt in politischer Arbeit und in der Mitarbeit von Bürgerinitiativen habe ich trotzdem über die Anforderungen speziell in der Flüchtlingshilfe nachgedacht. Unser gemeinsames und notwendiges Profil als HelferInnen in diesem Bereich, setzt voraus, dass wir
  • politisch denken und agieren
  • in öffentlichen Verwaltungsstrukturen Kenntnisse haben
  • über ausländerrechtliche Fragen informiert sind
  • gut organisieren können
  • pragmatisch handeln, obwohl wir nicht die Verantwortlichen für die Not sind
  • alltagspraktisch begabt sind
  • das wir anleiten können, ohne zu pädagogisieren
  • Urteile und Vorurteile als solche erkennen
  • kommunikativ sind
  • auch mal mutig sein müssen
  • mit Frustrationen umgehen können müssen
  • Belastungen schultern können müssen
  • einen langen Atem brauchen
Ganz eigentlich sind wir HeldInnen des Helferalltags.
Unsere ehrenamtlich arbeitenden Gruppen sind deshalb so erfolgreich, weil jede von uns mosaikhaft ihre persönlichen Fähigkeiten in die Initiative und das Netzwerk einbringt.
Ich muss sicherlich an dieser Stelle nicht sagen, dass es mir nicht um eine Lobhudelei in eigener Sache geht. Auch nicht um das Beklagen der Zustände und der Belastungen. Denn es ergeben sich ebenso viele positive Erlebnisse im konkreten Kontakt zwischen den geflüchteten Menschen und uns HelferInnen. Von Mensch zu Mensch, auf Augenhöhe, ist der Benefit auf beiden Seiten.
Wir HelferInnen machen viele berührende und unverfälschte zwischenmenschliche Erfahrungen. Wir lernen im Konkreten, dass Anderssein nicht gleichzeitig eine Bedrohung ist. Und wir bekommen einen Anstoß, dazu beizutragen, dass unsere Gesellschaft und unsere Kultur lernfähig und veränderbar werden. Wir wachsen daran, neue Haltungen zu finden.
Letztendlich qualifiziert uns unsere Arbeit auch noch in den oben genannten Punkten, der an uns gestellten Alltagsanforderungen.
Ich weiß auch, was wir nicht sind: „Hilflose Helfer“.
Mein Fazit: Die Arbeit in der Flüchtlingshilfe ist eine klassische win-win-Situation.
Aber es ist auch gut zu wissen, dass es in Bielefeld so ein aktives und aufmerksames Netzwerk in der Flüchtlingshilfe gibt. Unsere Nachbarschaftsinitiative „Brüderfeierabendhaus“ kann darauf zurückgreifen und wir müssen das Rad nicht neu erfinden. Wir profitieren von den gemachten und veröffentlichten Erfahrungen anderer Gruppen und können diese für unsere Arbeit modifizieren.
Kerstin Metten-Raterink
-mitarbeitend in der Nachbarschaftsinitiative Brüderfeierabendhaus-

P.S. Spannend wären auf dieser Internetseite Beiträge von geflüchteten Menschen über ihre Sicht der Dinge, über das Leben in Bielefelder Flüchtlingseinrichtungen

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