Text und Fotos: Silke Valentin
Das „Containerdorf“ in Sennestadt ist Geschichte
Eigentlich sollte ich glücklich sein, weil die meisten der Bewohner der Unterkunft nun in eigenen Wohnungen untergebracht sind und endlich versuchen können, ein ganz normales Leben zu führen.
Ich freue mich für sie alle und wünsche ihnen alles erdenklich Gute für ihre Zukunft.
Allerdings bin ich nicht nur glücklich, sondern auch sehr traurig, denn für mich geht eine wunderbare Zeit zu Ende. Das klingt vielleicht gemein, aber es ist nun einmal so: ich habe in der Zeit, in der ich im Containerdorf helfen durfte, so viele nette Menschen kennen gelernt, so viele tolle Erfahrungen gemacht und auch unglaublich viel über mich gelernt. Ich bin dankbar für eine der wundervollsten Erfahrungen in meinem Leben.
Ich muss zugeben, dass ich Ende 2015 keinerlei Erfahrungen in der ehrenamtlichen Arbeit hatte, als ich so für mich beschlossen habe: so viele Flüchtlinge, ich muss doch auch etwas tun! Ich hatte absolut keine Ahnung, auf was ich mich da einlasse und ganz ehrlich, ich habe mit vielem gerechnet, aber nicht damit, was mir wirklich alles widerfahren ist.
Es war unglaublich, wie schnell und unglaublich lieb ich in der Gemeinschaft der ehrenamtlichen Flüchtlingshelfer aufgenommen wurde. Diese Unterstützungen untereinander, obwohl man sich gar nicht kannte. Das war unfassbar. Ich vergesse nie, wie ich innerhalb eines Tages ein ganzes Kinderspielzimmer im Containerdorf einrichten konnte, nachdem ich einen Aufruf bei „Geflüchtete willkommen in Bielefeld“ gestartet hatte.
Wie naiv ich war, dass ich einfach beschlossen habe, dass ich einen Deutschkurs geben kann. Ich weiß, dass ich immer gesagt habe:„ Ich habe doch auch meinen drei Kindern das Sprechen beigebracht, da werde ich das doch auch bei Erwachsenen hin bekommen!“ Plötzlich stand ich also vor bis zu 20 erwachsenen Männern, die darauf warteten, dass ich ihnen unsere komplizierte Sprache beibringe (nur nebenbei: wer braucht drei Artikel???). Es wurde mehr ein „wie bewältige ich den Alltag in Deutschland“ als ein reiner Deutschkurs und wir hatten sehr viel Spaß zusammen. Plötzlich wurde ich auf dem Hof mit „Frau Lehrerin“ angesprochen und war so stolz auf jeden kleinen Fortschritt meiner Jungs.
Ja, die Jungs, naja eigentlich Männer und die Familien…was hatten wir oft Spaß zusammen. Meine jüngste Tochter hatte auf einmal einen ganzen Haufen neuer „Onkel“ und „Tanten“ und ständig wurde mir Essen angeboten, das ich noch nie im Leben gesehen hatte und ich gebe zu, dass ich auch sehr oft zu feige war, es zu probieren. Die Freude, die strahlenden Gesichter, die Hilfsbereitschaft die mir entgegen gebracht wurden, wenn ich auf den Hof kam…nun ist das alles vorbei.
Jetzt bleiben die Erinnerungen: an unsere Sommerfeste, tolle Gespräche, tolle Menschen, die trotz ihrer schlimmen Erfahrungen so unglaublich herzlich geblieben sind.
Es bleiben Freundschaften und Bekanntschaften, die ich in die dieser Zeit geschlossen haben und die ich nicht missen möchte.
Und es bleiben Erfahrungen, die mich stärker, selbstbewusster, reifer und mutiger gemacht haben.
Ich habe viele Menschen getroffen, die gesagt haben: „Ehrenamt, dafür wirst Du doch gar nicht bezahlt!“ Meine Antwort darauf ist. „ Doch! Sogar mehr als großzügig!“